Entgegen dem allgemein geläufigen und im klinischen Alltag synonym verwendeten Begriff der "Parese" als Bezeichnung für eine Lähmung unterscheidet man streng genommen unterschiedliche Arten. So beschreibt die Parese einen partiellen Ausfall eines Muskels oder mehrerer Muskelgruppen mit unvollständiger Lähmung. Im Gegensatz dazu spricht man bei einer vollständigen Lähmung einzelner Muskeln oder ganzer Muskelgruppen von einer Paralyse (bei jeder Art von Muskulatur, auch z.B. Darmmuskulatur) oder Plegie (nur bei Skelettmuskulatur) [1,2].

Die Symptome einer Lähmung des N. facialis sind schon seit Jahrhunderten bekannt. Bereits im Jahr 1797 wurden vom deutschen Professor Nicolaus Anton Friedreich die erfolgreichen Behandlungen dreier Patienten mit Lähmungen des Fazialisnerven dokumentiert [3]. Etwa ein Vierteljahrhundert später erfolgte eine ausführliche Abhandlung von Sir Charles Bell über die idiopathische Fazialisparese (IFNP), welche auch später nach ihm als "Bell´s palsy" bzw. "Fazialisparese nach Bell" benannt wurde [4].

Generell unterscheidet man zwischen einem zentralen oder peripheren Lähmungstyp und einer irreversiblen und sich spontan zurückbildenden Parese. Der Gyrus praecentralis (primär motorische Großhirnhrinde, Zellkörper des ersten motorischen Neurons), als wichtigster Ursprung der sog. Pyramidenbahn, sendet über die Fibrae corticonucleares (Teil der Pyramidenbahn) Afferenzen zu den beiden Zellgruppen des Ncl. n. facialis (Zellkörper des zweiten motorischen Neurons).

Die obere Zellgruppe versorgt die Lid- und Stirnmuskulatur und wird sowohl von der ipsi-, als auch kontralateralen Präzentralregion (beidseits) angesteuert. Die untere nukleäre Zellgruppe, welche für die Innervation der übrigen mimischen Muskulatur zuständig ist, wird hingegen nur von gekreuzten Fasern der kontralateralen Seite (einseitig) angesteuert. Somit erlaubt die Differenzierung zwischen einer zentralen und einer peripheren Lähmung des N. facialis Rückschlüsse auf die Lage der Läsion bzgl. der Ncll. n. facialis [4,5]:

Eine Fazialisparese kann schwere Einschränkungen in mehreren Gesichtsregionen verursachen. Manche Folgen sind für das Auge sichtbar, andere nicht.

Zentrale Fazialisparese Periphere Fazialisparese
Schädigung vor den Hirnkernen des N. facialis Läsion unterhalb der Hirnkerne des N.facialis
intakte Stirnmuskulatur beidseits und Lähmung abhängig vom Läsionsort:
gelähmte restliche mimische Muskulatur Parese einzelner Muskeln bis hin zur gesamten
auf der gegenüberliegenden Gesichtsseite mimischen Muskulatur der gleichen Gesichtsseite

Über die Verschaltung der Fazialisnervenkerne im Gehirn können Sie hier weitere Details erfahren. Zur elektrophysiologischen Diagnostik beim Facharzt für Neurologie erhalten Sie hier weitere Informationen.

Quellen:
[1] Aumüller G. Anatomie. 3rd ed. Duale Reihe. Stuttgart: Thieme; 2014. 54 p. ger
[2] Masuhr KF, Masuhr F, Neumann M. Neurologie. 7th ed. Duale Reihe. ger.
[3] Bird TD. Nicolaus A. Friedreich's description of peripheral facial nerve paralysis in 1798. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 1979;42(1):56–8. PubMed PMID: 368292.
[4] Bell C. On the Nerves; Giving an Account of Some Experiments on Their Structure and Functions, Which Lead to a New Arrangement of the System. Philosophical Transactions of the Royal Society of London. 1821;111(0):398–424. doi: 10.1098/rstl.1821.0029.
[5] Schünke M, Schulte E, Schumacher U, Voll M. Kopf, Hals und Neuroanatomie: 115 Tabellen. 2nd ed. Prometheus / Michael Schünke Erik Schulte Udo Schumacher. Unter Mitarb. von Jürgen Rude. Ill. von Markus Voll Karl Wesker, Vol 3. Stuttgart: Thieme; 2009. 541 p. ger.
[6] Peitersen E. Bell's palsy: the spontaneous course of 2,500 peripheral facial nerve palsies of different etiologies. Acta Otolaryngol Suppl. 2002(549):4–30. PubMed PMID: 12482166.