"The successful transplantation of a block of tissue by reanastomosing the microvascular pedicle has untold experimental and clinical possibilities" – Dr. Harry Buncke, 1973

Die "Mikrochirurgie" (von griechisch "μικρός", "klein") ist eine Operationstechnik unter Verwendung von Operationsmikroskopen oder Lupenbrillen mit starker Vergrößerung. Als Operationsmikroskop kommen heutzutage hochauflösende Spezialmikroskope zum Einsatz. Üblicherweise erlauben sie eine stufenlose Vergrößerung zwischen 10 - 25x. Für Mikrochirurgie geeignete Lupenbrillen besitzen eine 2,5 - 4,5-fache Vergrößerung. Für mikrochirurgische Operationen wird ein spezielles, besonders feines Instrumentarium verwendet.  Mikroinstrumente erlauben den schonenden Umgang mit kleinsten Gewebestrukturen, wie etwa kleinsten Blutgefäßen (Venen und Arterien), Nervenästen und Nerven. Des Weiteren gewährleisten sie die Möglichkeit an Orten im menschlichen Körper, die nur sehr geringe Abmessungen besitzen, zu arbeiten.

Fundierte mikrochirurgische Kenntnisse und Fertigkeiten sind unabdingbar, um das komplette Spektrum der plastisch-chirurgischen Rekonstruktion bei Gesichtslähmungen anbieten zu können. Nur mit Mikrochirurgie können freie funktionelle Muskeln verpflanzt, Nerven transplantiert und Nervenumlagerungen (Nerventransfers) sicher durchgeführt werden. 

In der Mikrochirurgie werden heutzutage moderne Hochleistungsmikroskope mit einem hohen Vergrößerungsfaktor verwendet. Der Autor dieser Seite hat seine mikrochirurgischen Fähigkeiten an mehreren international renommierten Zentren geschult - hier ein Bild einer mikrochirurgischen Kopf-/Hals-Operation am Chang-Gung-Memorial Hospital (CGMH) in Taipeh/Linkou, Taiwan, dem weltweit größten mikrochirurgischen Zentrum (>1200 freie Lappenplastiken/Jahr).

Mikrochirurgie zu lernen, benötigt prinzipiell keine besonderen Fähigkeiten - eine ruhige Hand, ein besonnener Charakter und viel Geduld des Chirurgen sind jedoch von großem Vorteil. Mikrochirurgie zu beherrschen, erfordert jedoch weitere Voraussetzungen: Um sichere und erfolgreiche mikrochirurgische Operationen anbieten zu können, muß sie mit konstanter Regelmäßigkeit durchgeführt werden. Mikrochirurgische Nähte von kleinen Blutgefäßen, "Mikroanastomosen" genannt, sowie Nervennähte ("Koaptationen" genannt), sollten unter allen Umständen zunächst in speziellen, zertifizierten Mikrochirurgiekursen erlernt und dann weiter im Tiermodell, d.h. in aller Regel an Ratten, geübt werden.

Unserer Meinung nach besitzt ein an Mikrochirurgie interessierter Chirurg erst dann die notwendigen Fähigkeiten, kleinste Blutgefäße sicher und erfolgreich am Patienten durchzuführen, wenn mindestens 25 Anastomosen am Tiermodell erfolgreich vollzogen wurden. Die Überprüfung der Anastomosendurchlässigkeit erfolgt mit dem sogenannten "Patency-Test", einem Testverfahren, währenddessen mit zwei Mikrogefäßpinzetten der Blutfluss zunächst ausgestrichen wird und nach Lösen einer Pinzette der Anstrom der Blutsäule beurteilt wird.

Als Nähte werden Nahtstärken zwischen 8-0 und 12-0 verwendet. Die Nahtstärke und Nadelgröße nehmen hierbei bei zunehmender Zahlengröße weiter ab, d.h. während ein 9-0 Faden nur geringfügig feiner als ein menschlichen Haars beschaffen ist, ist ein 12-0 Faden mit bloßem Auge kaum noch sichtbar und hat etwa 1/3 des Durchmessers eines menschlichen Haares.

Unsere Nervennähte führen wir mit der Stärke 10-0 durch, um möglichst wenig Fremdmaterial im Hinblick auf die beste Nervenheilung einzubringen. Die Fadenstärke ist äußert fein, so dass die Naht mit dem bloßem Auge kaum noch zu erkennen ist. Sie beträgt etwa ein Drittel eines menschlichen Frauenhaars, wie im obigen Bild gut zu erkennen ist. Präzise Nervennähte (Koaptationen) erfordern fortgeschrittene mikrochirurgische Fertigkeiten sowie Hochleistungsmikroskope mit großem Vergrößerungsfaktor.

Transplantation: im Rahmen einer Transplantation werden meist größere Mengen Gewebes von einer Körperregion in eine andere verpflanzt. Das transplantierte Gewebe kann dort nur einheilen, wenn es sofort wieder an die Blutversorgung, d.h. an den Blutkreislauf, mikrochirurgisch angeschlossen wird. Es müssen also jeweils zumindest eine Empfänger- und eine Spenderarterie (blutzuführendes Gefäß) sowie eine Empfänger- und Spendervene (blutabführendes Gefäß) genäht werden. Wird z.B. ein funktioneller Muskel transplantiert, dann ist zusätzlich ein Empfängernerv im Zielgebiet notwendig, der, um den Muskel anzusteuern, mikrochirurgisch an den Spendernerv des Muskeltransplantates angeschlossen (koaptiert) wird. Freie Gewebetransplantate werden in der Plastischen Chirurgie dort entnommen, wo auf ihre angestammte Funktion bewußt ohne relevanten Nachteil verzichtet werden kann. Im Falle einer freien Muskeltranplantation, z.B. Gracilis-Muskel vom Oberschenkel, übernehmen umliegende Muskelgruppen oder Körperteile automatisch die Funktion. Auch eine freie funktionelle Zehentransplantation als Daumenersatz funktioniert nach diesem Prinzip: wird beispielsweise die 2. Zehe hierfür "geopfert", so übernehmen die verbliebenen Zehen wichtige Funktionen für Statik und Gangbild.

Replantation: werden Gliedmaßen oder Körperteile z.B. durch Unfälle abgetrennt, so lassen sich diese, sofern keine ausgedehnteren Quetschungen vorliegen, mit Hilfe der Mikrochirurgie wieder annähen, "replantieren". Von Mikroreplantationen spricht man, wenn Amputationen kleinere Körperteile, wie z.B. Finger im Rahmen von Kreissägenverletztungen, umfassen.  Mit Makroreplantationen sind größere Körperteile und Gliedmaßen gemeint, die mit dem Operationsmikroskop wieder angenäht werden, wie beispielsweise Durchtrennungen der unteren Gliedmaße auf Unter- oder Oberschenkelniveau, die mit einer mikrochirurgischen Wiederherstellung der Blut- und Nervenversorgung versorgt werden, um die Funktion zu erhalten.

Mikrorepair: vom "Mikrorepair" spricht man, wenn durchtrennte Nerven- und Gefäße (z.B. durch Unfall oder im Rahmen einer Tumorresektion) mikrochirurgisch wiederhergestellt werden.

Professionalität in der Mikrochirurgie definiert sich nicht ausschließlich durch die Fähigkeit, im Labor oder am Patienten eine erfolgreiche Mikroanastomose durchführen zu können - bei einer Lappentransplantation schließt sie die sichere Indikationsstellung, Wahl des Gewebetransplantates, Selektion der erforderlichen Gewebekomponenten (z.B. Haut-/Fettgewebe, Muskel-, Faszien- und Knochengewebe), Wahl und Isolation geeigneter Anschlussgefäße und ggf. -nerven, rasche und gleichzeitig sichere Transplantation des Gewebes, Beurteilung der Perfusion der Lappenplastik (1) sowie die Planung von eventuell notwendigen Sekundäroperationen mit ein. Mikrochirurgie wird unter anderem eingesetzt bei Eingriffen an kleinen Blutgefäßen, am Zentralnervensystem, am Lymphsystem und in der peripheren Nervenchirurgie.

In einem wissenschaftlichen Setting wird die Expertise, kleinste Blutgefäße und Nerven zu nähen, am besten im Tiermodell so lange trainiert, bis sie der Mikrochirurg am Patienten sicher und schnell anwenden kann.

Im Rahmen von Mikrochirurgiekursen und Trainingsmodellen gibt es für den Mikrochirurgen kein Pardon – auch wenn die Gefäße die gewünschte Durchlässigkeit der Anastomose per "Patency-Test" durch Aufsicht von extern demonstrierten, so werden sie doch nach Abschluss der Übung komplett geöffnet und der Abstand der Stiche, die Stichtiefe, die Festigkeit der Nähte und Knoten, die Güte der Gefäßwandadaptation und weitere Kriterien in ihrer Konstanz entlang der Mikronahtreihe unter dem Mikroskop genauestens überprüft. Gefäßeinrisse sollten genausowenig zu sehen sein wie eventuelle Mikro-Blutgerinsel entlang der Anastomose. Dieser "Bypass" des Autors am Rattenmodell, mit der Hals-Hauptschlagader (A. carotis) an die Bauch-Hauptschlagader (Aorta) mit feinstem 11-0 Nahtmaterial angelegt, erfüllte alle geforderten Kriterien (aus dem "Micro-Lab"-Trainingslabor der Plastischen Chirurgie am Erasmus Medical Center/Rotterdam).

Quelle:
[1] Video Tutorial for Clinical Flap-Monitoring in Plastic Surgery.Schiltz D, Geis S, Kehrer A, Dolderer J, Prantl L, Taeger CD. Plast Reconstr Surg Glob Open. 2017 Oct 24;5(10):e1478. doi: