Betroffene Patienten leiden sehr an der Minderfunktion bzw. dem Komplettausfall des Fazialisnerven, was funktionell und ästhetisch schwere Beeinträchtigungen zur Folge hat.

Der Gesichtsnerv hat als Alleinstellungsmerkmal die besondere Fähigkeit, als einziger Nerv eine "emotionale Antwort" des Einzelnen auf seine Umwelt zu ermöglichen. Das Lächeln und Lachen erfüllt neben vielen anderen Ausdrucksformen der Gesichtsmimik eine entscheidende Rolle in der sozialen Interaktion.

Das Lächeln spielt eine entscheidende Rolle in der sozialen Interaktion.

Ist die Nervenfunktion gestört oder nicht mehr intakt, resultiert eine oft entstellende "Fazialisparese". Es kommt zu einer unkontrollierten "Entgleisung der Gesichtszüge". Auf der psychosozialen Ebene können hierdurch massive Schwierigkeiten in der Kommunikation bedingt sein. Betroffene Patienten zeigen leider aufgrund der stigmatisierenden Asymmetrie neben einer Minderung des Selbstwertgefühls und bewusster Zurückhaltung von Emotionen häufig ein konkretes Vermeidungsverhalten, weil jede Mimik eine Verstärkung der Asymmetrie zur Folge hat. Oft wird die betroffene Gesichtshälfte vom Kommunikationspartner abgewandt oder bewusst/unbewusst mit der Hand verdeckt.

Patienten, die an einer irreversiblen Parese des siebten Hirnnervens erkranken, erleiden ein hartes Schicksal. Eine Untersuchung von Aaron Kosins et al. an der Facial Palsy Clinic in Edinburgh, Schottland, ergab in einem Kollektiv von 22954 Patienten mit Fazialisparese bei über 50% ein beträchtliches Niveau an psychischem Stress sowie konkrete Rückzugstendenzen aus der Gesellschaft als Konsequenz der stigmatisierenden Symptome [1].

Diese reichen von einer Asymmetrie, Synkinesien, Lagophthalmus (physiologische Aufwärtsbewegung der Augäpfel, die bei inkomplettem Lidschluss sichtbar ist), Epiphora (Tränenlaufen) oder trockenen Augen, bis hin zu Dysarthrie (Sprechstörungen), Geschmacksveränderungen, Hyperakusis (pathologisch gesteigerte akustische Überempfindlichkeit) und Gesichtsschmerzen [1]. Die Variationsbreite des Erscheinungsbildes erklärt sich durch den komplexen Verlauf sowie den diversen Faserqualitäten des N. facialis.

Schematisierte Anatomie des Gesichtsnerven (N. fazialis) der linken Gesichtshälfte. In der rechten Gesichtshälfte sind typische Symptome der Fazialisparese angedeutet: Hängende Gesichtspartie der gesamten rechten Seite mit Ausfall des Stirnmuskels und der Augenbrauenhebung, fehlender Lidschluss und Bindehautentzündung ("Reizkonjunktivitis") des Auges, hängender Mundwinkel mit ungewolltem Verlust von flüssigen Speisen und verwaschener Sprache bei schlaffem Wangengewebe und Asymmetrie der betroffenen Gesichtshälfte. Beim älteren Patienten gesellen sich hierzu oft eine erschwerte Nasenatmung und immer wieder auftretende Verletzungen der Wangenschleimhaut beim Kauprozess durch versehentliches Aufbeißen.

Quelle: Breuer S, The Nutrition Healer, Case Study: Bell’s Palsy. Malaga. thenutritionhealer.com/case-study-bells-palsy/, accessed on 08/28/2020.

Dieser ältere Patient berichtet eindrücklich über die typischen Symptome einer fehlenden Ansteuerung von Mundwinkel, Lippen und Wange: der Verlust der oralen Kompetenz (auch orale Inkontinenz) bereitet betroffenen Patienten durch die fehlende Kontrolle flüssiger Speisen im Alltag große Schwierigkeiten. Die Symptome ließen sich durch eine gezielte Operation beheben. Das Ergebnis finden Sie hier.

Quellen:
[1] Kosins AM, Hurvitz KA, Evans GR, Wirth GA. Facial paralysis for the plastic surgeon. Can J Plast Surg. 2007;15(2):77–82. PubMed PMID: 19554190.