Die Physiologie (altgriechisch phýsis "Natur" und lógos "Lehre" bzw. physiología "Naturkunde") ist die Lehre von chemischen, biochemischen und physikalischen Prozessen, die innerhalb oder zwischen Zellen stattfinden.

Muskelansteuerung vom Großhirn

Abbildung 1
Verschaltung der motorischen Bahnen im Hirnstamm.

Quelle: Modified by author: Patrick J. Lynch, Dr. C. Carl Jaffe, Cranial nerve IX 9 Bell's palsy, 12/23/2006, commons.wikimedia.org/wiki/File:Cranial_nerve_VII_bells_palsy.svg, accessed on 08/28/20, CC BY-SA 2.5. creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5.

Physiologie der Mimik auf der Ebene des Gehirns: jede Bewegung der mimischen Muskulatur wird in der Großhirnrinde (in der Region des Gyrus praecentralis) geplant und über eine Bahn (Fibrae corticonucleares) zu den Steuerkernen des Nervus facialis (Ncll. n. facialis), die im Stammhirn lokalisiert sind, geschickt. Diese bestehen aus einer geteilten Zellgruppe. Die obere Zellgruppe versorgt die Lid- und Stirnmuskulatur und wird von beiden Gehirnhälften (bilateral) angesteuert. Die untere Zellgruppe, welche für die Innervation der übrigen mimischen Muskulatur zuständig ist, wird hingegen nur von gekreuzten Fasern der gegenüberliegenden (kontralateralen) Seite (unilateral) angesteuert. Dies erlaubt eine Differenzierung zwischen einer zentralen (Stirnrunzeln funktioniert auch auf der sonst gelähmten Seite) und einer peripheren Lähmung des N. facialis.

Anhand dieses Modells können Sie sich den mit bloßem Auge zu erfassenden (makroskopischen) Aufbau des Gehirns vergegenwärtigen. Die beiden Gehirnhälften (Hemisphären) werden durch eine zentrale Furche (Fissura longitudinalis) voneinander abgetrennt. Ferner stellen sich die Hirnwindungen (Gyri cerebri) und die dazwischen liegenden Einkerbungen (Sulci cerebri) dar. Des Weiteren kann man ein Vorder- (Prosencephalon), Mittel- (Mesencephalon) und das sog. "Rautenhirn" (Rhombencephalon) differenzieren. Im Stammhirn, genauer in der sog. "Brücke" (Pons), liegen die Steuerkerne des N. facialis. Daran schließt sich das Rückenmark (Medulla spinalis) an. Durchschnittlich wiegt das menschliche Gehirn 1300 bis 1600 Gramm.

Quelle: Skull Base and Cerebrovascular Laboratory at University of California San Francisco. CPs - Model 1: Sulci & Gyri of Left Hemisphere. 2020. sketchfab.com/3d-models/cps-model-1-sulci-gyri-of-left-hemisphere-216d50de44084049800ac0d548fb51b5. Accessed on 11/15/2020. CC BY-SA 4.0. creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0.

Nervenleitung

Die Information bzw. der elektrische Impuls werden vom Gehirn über den Nerv, der aus vielen Nervenzellen (Neuronen) besteht, zum Muskel geleitet. Im oberen Bereich des Bildes ist der Zellkörper zu erkennen, welcher den Zellkern (Nukleus) enthält. Der Zellkörper ist von Fortsätzen (Dendriten) umgeben, die dem Erregungsempfang der Nervenzelle dienen. Der lange Teil in der Mitte wird Axon genannt und ist eine Art Leitungsbahn. Das Axon dient der Erregungsweitergabe und macht in der Summe vieler Nervenzellen einen Großteil des makroskopisch sichtbaren Nervs aus. Bei einer peripheren Fazialisparese kommt es zu Teilschädigungen oder sogar kompletten Kontinuitätsunterbrechungen des Axons (und benachbarter Axone). Die Fortsätze des Axons, im unteren Teil des Bildes, sind motorische Endplatten. Sie vermitteln den Reiz an mimische Muskelzellen und in der Konsequenz kommt es zur Muskelbewegung.

Abbildung 2
Computeranimierte Darstellung einer Nervenzelle.

Diese Grafik veranschaulicht die in Abb. 2 dargestellten Bestandteile einer Nervenzelle (Neuron) räumlich. Beachten Sie insbesondere das zahlenmäßige Verhältnis von Dendriten zu axonaler Endstrecke. Während ein Neuron über eine Vielzahl von Dendriten Reize empfangen kann, steht zur Reizweiterleitung ein einziges Axon mit wiederum einer Vielzahl an Endigungen, sog. "Boutons", zur Verfügung.

Quelle: Versal. Neuron. 2016. sketchfab.com/3d-models/neuron-d40557a1e4154267b78117433bc51296. Accessed on 11/15/2020. CC BY-SA 4.0. creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0.

Hier wird der Prozess der Reizaufnahme über die Dendriten bis zum Nervenzellkörper (Soma) festgehalten. Die elektrische Erregungsausausbreitung der Dendriten erfolgt afferent, d. h. zum Zellkörper gerichtet. Dendriten können selbst auch sog. "Dornfortsätze" (Spinulae dendriticae) tragen. Diese Ausstülpungen sind zwischen 0,2 bis 2 µm lang. Insbesondere pilzförmig ausgebildete Dornfortsätze können ferner als Calciumspeicher dienen und die synaptische Plastizität beeinflussen.

Quelle: Neural Impulse Media. Neuron Action Potential. 2015. sketchfab.com/3d-models/neuron-action-potential-c7ca6da31f5848748f7ba7ccb2508266. Accessed on 11/15/2020. CC BY-SA 4.0. creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0.

Motorische Endplatte

Abbildung 3
Motorische Endplatte. Der über den Nerv ankommende elektrische Reiz sorgt für eine Neurotransmitterfreisetzung (im Bild: weiße Blitze). Diese werden an der motorischen Endplatte aufgenommen und erregen die Muskelfaser.

Computerschemazeichnung einer motorischen Endplatte, auch neuromuskuläre Endplatte genannt. Sie überträgt die Erregung von einer Nervenfaser auf die Muskelfaser und stellt eine chemische Synapse dar. Das heißt die Übertragung wird über Botenstoffe wie Acetylcholin (ein Neurotransmitter) übermittelt. An einer mimischen Muskelfaser sind, im Gegensatz zu Muskelfasern im restlichen Körper, mehrere motorische Endplatten lokalisiert [1]. Botulinum-Toxin (Botox R) ist ein Neurotoxin, welches auch als wirksames Medikament eingesetzt wird. Es hemmt die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin. So kann, wenn gewünscht, die Muskelfunktion herabgesetzt oder ganz blockiert werden. Zur Anwendung kommt Botulinum-Toxin beispielsweise bei spastischen Fazialispareseformen oder Synkinesien.

Muskelfasern

Muskelfasern enthalten eine bis mehrere Hundert Muskelfibrillen (Myofibrillen), die alle parallel ausgerichtet sind. Die Muskelfibrillen wiederum enthalten Sarkomere, sie bilden die eigentlichen kontraktilen Einheiten der Muskelzelle. Sie besitzen eine gewisse Ruhespannung (Ruhetonus). Werden sie nun stärker erregt, kommt es zu einer Verkürzung der Sarkomere, wobei sich der gesamte Muskel verkürzt und somit eine mimische Bewegung generiert. Die größtenteils unbewusst gesteuerte Koordination vieler Einzelbewegungen der unterschiedlichen Gesichtsmuskeln führt schließlich zum Gesichtsausdruck.

Die Muskelkontraktion lässt sich grundsätzlich nach einem isotonischen oder isometrischen Muster differenzieren. Bei ersterem bleibt die muskuläre Spannung erhalten, während sich die Muskellänge ändert; vice versa bei der isometrischen Form. Eine Änderung der Muskellänge kann konzentrisch in Form einer Verkürzung oder in umgekehrter Weise exzentrisch erfolgen. U. a. durch Krafttraining kann eine muskuläre Hypertrophie erzielt werden, d. h. eine Vergrößerung des Muskels durch Zunahme des Muskelzellvolumens. Eine derartige Hypertrophie kann im Fall der Gesichtsmuskulatur bspw. durch übermäßiges Zähneknirschen (Bruxismus) verursacht sein.

Quelle: "kmith". Muscle Contraction. 2019. sketchfab.com/3d-models/muscle-contraction-f2f6660073e3429aad069f49fbe2eb5b. Accessed on 11/15/2020. CC BY-SA 4.0. creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0.

Abbildung 4
Schematisierte Computergraphik einer Muskelfaser.

Reflexe

Abbildung 5
Kommunikation (Synapse) zweier Nervenzellen im Hirnstamm.

Im Rahmen von Reflexen wird der Nervus facialis durch Stimulation anderer Nerven aktiviert. Dies ist beispielsweise beim Blinzelreflex der Fall, der durch den Nervus trigeminus (der fünfte Hirnnerv) ausgelöst wird (auch Glabellareflex). Der Blinzelreflex wird durch eine Reizung des ersten Trigeminusasts (N. supraorbitalis), beispielsweise bei Berührung der Wimpern, eingeleitet. Diese Information wird im Hirnstamm an den Fazialisnerven weitergegeben. Über die Jochbeinäste (zygomatische Fazialisnervenäste) wird dann eine beidseitige kurze Kontraktion des Augenringmuskels (M. orbicularis oculi) ausgelöst, während andere Muskelgruppen, wie der Mundringmuskel (M. orbicularis oris), nicht aktiviert werden. Der Fazialisnerv vermittelt also auch einen wichtigen Schutzreflex.

Quellen:
[1] Happak W, Burggasser G, Liu J, Gruber H, Freilinger G. Anatomy and Histology of the Mimic Muscles and the Supplying Facial Nerve. In: Stennert ER, Kreutzberg GW, Michel O, Jungehülsing M, editors. The Facial Nerve. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 1994. p. 85–6.