Eine Lähmung des Gesichtsnervs geht auch mit Symptomen im Mundbereich einher. Eine Muskelschwäche in der Mundregion kann hierbei ein Zeichen sein. So können sich bspw. ein herabhängender Mundwinkel und ein Verbleiben von Speiseresten in der Wangentasche der betroffenen Seite zeigen[1]. Des Weiteren vermag eine orale Inkontinenz auftreten, d.h. die Unfähigkeit insbesondere Flüssigkeiten im Mund zu behalten. Ferner kann es zu Geschmackstörungen in den vorderen zwei Dritteln der Zunge kommen, da diese nicht wie das hintere Zungendrittel durch den neunten Hirnnerv (N. glossopharyngeus), sondern durch einen Ast des N. facialis (Chorda tympani) nerval versorgt werden. Eine herabgesetzte Geschmacksempfindlichkeit findet sich vor allem in jungen Patienten mit Bell-Parese[2]. Darüber hinaus kann sich eine Fazialisparese auch in Mundtrockenheit (Xerostomie) niederschlagen. Je früher eine unzureichende Mundbefeuchtung eintritt, desto schwergradiger scheint die Parese und desto schlechter stellt sich die Aussicht auf ein Abklingen der Symptomatik dar[3]. An eine Fazialisparese kann sich auch die Rückbildung (Atrophie) des Mundringmuskels (M. orbicualris oris) anschließen. Interessanterweise wirken einsprossende Äste des N. facialis der gesunden Gegenseite dieser Atrophie bisweilen entgegen[4]. Aber auch eine Fetttransplantation kann hier Abhilfe schaffen. Ein weiteres orales Symptom der Fazialisparese stellt die Kieferklemme (Trismus) dar[5]. Differenzialdiagnostisch ist das Melkersson-Rosenthal-Syndrom abzugrenzen, das klassischerweise durch die Trias aus Fazialisparese, Lippenschwellung und Zungenfurchen (Zungenfissuren) charakterisiert ist[6]. Neben den bekannten Scoringsystemen kann die Lippenlänge, d.h. der Mundwinkelabstand (intercommissurale Distanz, ICD), herangezogen werden, um Aussagen über die Funktion der um den Mund liegenden (perioralen) Muskulatur zu treffen[7].

Abbildung 1

Mimische Muskulatur: 1: M. levator labii superioris aleque nasi (Oberlippen- und Nasenflügelheber), 2: M. levator labii superioris (Mundwinkelheber), 3: M. zygomaticus minor (Kleiner Jochbeinmuskel), 4: M. zygomaticus major (Großer Jochbeinmuskel), 5: M. risorius (Lachmuskel), 6: M. buccinator (Backenmuskel), 7: M. depressor anguli oris (Mundwinkelsenker), 8: M. depressor labii inferioris (Unterlippensenker)

In diesem 3D-Lernmodell von unseren Freunden von ANATOMYNEXT (www.anatomynext.com) wird der schichtartige Aufbau der mimischen Muskulatur deutlich.  So bilden der Mundwinkelsenker (M. depressor anguli oris), der Augenringmuskel (M. orbicularis oculi) und der oberflächliche Anteil des kleineren Jochbeinmuskels (M. zygomaticus minor) die oberflächlichste Ebene. Darauf folgen der tiefe Anteil des M. zygomaticus minor, der größere Jochbeinmuskel (M. zygomaticus major), der Lächelmuskel (M. risorius), der platte Halsmuskel (Platysma) und der Oberlippen- und Nasenflügelheber (M. levator labii superioris alaeque nasi). Die dritte Schicht setzt sich aus dem Mundringmuskel (M. orbicularis oris) und dem Oberlippenheber (M. levator labii superioris) zusammen. In der Tiefe finden sich der Wangenmuskel (M. buccinator), der Mundwinkelheber (M. levator anguli oris) und der Kinnmuskel (M. mentalis). Interessanterweise lassen sich keine geschlechtsspezifischen Differenzen im Hinblick auf Länge, Breite und Dicke der mimischen Muskulatur nachweisen. Das 3D-Lernmodell wurde von unseren Freunden von ANATOMYNEXT (www.anatomynext.com) erstellt, die unsere Seite mit ihren hervorragenden 2D und 3D Lehrmodellen bereichern.

Abbildung 2

Bei Aufforderung der Patientin die "Backen aufzublasen" und gleichzeitig die Luft in der Mundhöhle zu halten, misslingt dies auf der rechten Seite. Verantwortlich hierfür ist die gelähmte Wangenmuskulatur rechts, sowie insbesondere auch der deutlich geschwächte Ringmuskel um die Mundregion. Ein festes Aufeinanderpressen der Lippen ist auf der rechten Seite im Vergleich zur Linken nicht möglich. Der Muskelschwund ist am fehlenden Muskelvolumen im Bereich der rechten Ober- und Unterlippe bereits deutlich erkennbar.

In diesem 3D-Lernmodell von unseren Freunden von ANATOMYNEXT (www.anatomynext.com) können Sie sich den Verlauf des Wangenmuskels vergegenwärtigen. Dieser hat seinen Ursprung an einer Knochenleiste (Crista buccinatoria) im Bereich des Proc. coronoideus des Unterkiefers. Von dort zieht er in Richtung des Modiolus, eines circa 1 cm seitlich (lateral) des Mundwinkels gelegenen Muskelknotens. Der Ausfall des M. buccinator kann z. B. ursächlich für das Verbleiben von Speiseresten in der Wangentasche sein. Das 3D-Lernmodell wurde von unseren Freunden von ANATOMYNEXT (www.anatomynext.com) erstellt, die unsere Seite mit ihren hervorragenden 2D und 3D Lehrmodellen bereichern. 

Diese 54-jährige Dame mit einer vollständigen Gesichtslähmung rechts demonstriert eindrücklich die Symptomatik der Lähmung in der Mundregion.  Der Ausfall des den Mund umfassenden Ringmuskels und der Wangenmuskulatur führt zu einem undeutlichen Sprachbild. Flüssige Speisen können nur noch schwer oder gar nicht in der Mundhöhle behalten werden. Die mundwinkelansteuernde Muskulatur und die Oberlippenheber sind ausgefallen. Beim Versuch eines Lächelns kommt es zur deutlichen Asymmetrie.

Beim Versuch des Lachens mit "Zähnezeigen" verstärkt sich die Asymmetrie. Die weitgehend fehlende oberlippenhebende Muskulatur tritt noch deutlicher in den Vordergrund. Parallel hierzu ist eine Abhängigkeit des unwillkürlichen Blinzelreflexes am rechten Auge vom Fazialisnerven zu beobachten. Diese fehlt im Vergleich zur nicht gelähmten linken Gegenseite.

Abbildung 3
Diese Patientin weist Zungenfurchen (Zungenfissuren) auf, die charakteristisch für das Melkersson-Rosenthal-Syndrom sind. Es entsteht das Bild einer sog. "Landkartenzunge" (Lingua geographica).

Quellen:
[1] Somasundara D, Sullivan F. Management of Bell's palsy. Aust Prescr. 2017 Jun;40(3):94-97. doi: 10.18773/austprescr.2017.030. Epub 2017 Jun 1. PMID: 28798513; PMCID: PMC5478391.
[2] Park JM, Kim MG, Jung J, Kim SS, Jung AR, Kim SH, Yeo SG. Effect of Age and Severity of Facial Palsy on Taste Thresholds in Bell's Palsy Patients. J Audiol Otol. 2017 Apr;21(1):16-21. doi: 10.7874/jao.2017.21.1.16. Epub 2017 Mar 30. PMID: 28417103; PMCID: PMC5392006.
[3] De Seta D, Mancini P et al. Bell's palsy: symptoms preceding and accompanying the facial paresis. ScientificWorldJournal. 2014;2014:801971. doi: 10.1155/2014/801971. Epub 2014 Nov 27. PMID: 25544960; PMCID: PMC4270115.
[4] Biglioli F, Allevi F, Battista VM, Colombo V, Pedrazzoli M, Rabbiosi D. Lipofilling of the atrophied lip in facial palsy patients. Minerva Stomatol. 2014 Mar;63(3):69-75. English, Italian. PMID: 24632798.
[5] Klobucar, R., Kingsmill, V., Venables, V., Bisase, B., & Nduka, C. (2012). A dental perspective of facial palsy. Faculty Dental Journal, 3(4), 202–207.doi:10.1308/204268512x13466824724634.
[6] Ang KL, Jones NS. Melkersson-Rosenthal syndrome. J Laryngol Otol. 2002;116:386–8.
[7] Jansen, C., Devriese, P. P., Jennekens, F. G. I., & Wijnne, H. J. A. (1991). Lip-length and Snout Indices in Bell’s Palsy:A Comparison with the House Grading System. Acta Oto-Laryngologica, 111(6), 1065–1069.doi:10.3109/00016489109100757.