Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie (Sprachübungen) sind unverzichtbare Begleittherapien, die das Therapieergebnis für die Patienten,  unabhängig der plastisch-chirurgischen Behandlung, erheblich verbessern können. Zuletzt ist auch die konsequente eigene Übungstherapie der Mimik z.B. vor dem Spiegel, für das optimale Ergebnis unabdingbar.

Quelle: Kern H, Carraro U, Adami N, et al. Home-based functional electrical stimulation rescues permanently denervated muscles in paraplegic patients with complete lower motor neuron lesion. Neurorehabil Neural Repair. 2010;24(8):709-721. doi:10.1177/1545968310366129.

Neben vielen anderen Anwendungsgebieten kann mit einer Elektrotherapie auch die Muskulatur des Gesichtes stimuliert werden.

Was sind Synkinesien und wie entstehen sie?

Synkinesien sind nicht willentliche Mitbewegungen durch anatomische "Fehlverdrahtungen" von Nervenästen an der Gesichtsmuskulatur. Sie kommen im Rahmen von Bell-Paresen und nach Kontinuitätsunterbrechungen des Fazialisnervens bzw. seiner Äste vor und sind Zeichen einer Defektheilung. Die sich erholenden und neu wieder auswachsenden Nervenfasern erreichen andere Muskelgruppen als ihre ursprünglich vorgesehenen Zielmuskeln.

Was ist beim eigenständigen Üben zu beachten?

  • Bitte machen Sie die Übungen vor einem Spiegel.
  • Bitte achten Sie exakt darauf, dass wirklich auch nur das bewegt wird, was man auch beabsichtigt, zu bewegen. Sollte es zu anderen Mitbewegungen kommen, bitte sofort stoppen.
  • Bitte führen Sie die Bewegung vollständig aus.
  • Sie können schon kurz nach Beginn der Lähmung die Gesichtsmuskulatur sanft massieren. Diese Massage können Sie in Form von leicht kreisenden oder auch klopfenden Bewegungen durchführen.
  • Im Falle von Schmerzen oder unangenehmen Empfindungen können Sie feuchte, warme Packungen auf die gelähmte Gesichtshälfte legen. Für diese Anwendung eignen sich besonders Gelpackungen, die in der Mikrowelle leicht erhitzt werden. Sie erhalten diese Packungen in Apotheken und Drogerien.

Wichtige Informationen und Verhaltensregeln, um langfristige Schäden zu vermeiden und die Rehabilitation zu begünstigen:

  • Tagsüber: Achten Sie auf regelmäßige Befeuchtung mit Augentropfen oder Cremes, die Ihnen Ihr Augenarzt empfiehlt.
  • Schließen Sie beide Augen, so oft es geht, willkürlich und helfen Sie beim betroffenen Auge vorsichtig mit einem Finger nach.
  • Nachts: Verwenden Sie für die Nacht erneut Augentropfen oder Augensalbe und schützen Sie die Hornhaut Ihres Auges vor Austrocknung mit einem Uhrglasverband.
  • Bitte konsultieren Sie einen Augenarzt Ihres Vertrauens zur regelmäßigen Augenkontrolle und zur Beratung von Maßnahmen für Tag und Nacht.
  • Ein Schutz vor Sonne, Staub und trockener Luft ist wichtig.
  • Tragen Sie draußen eine Sonnenbrille (gegebenenfalls mit seitlichem Sonnenschutz).
  • Vermeiden Sie Räume mit Klimaanlagen.
  • Schalten Sie im Auto die Lüftung aus.
  • Betreiben Sie gute Mundhygiene, da oftmals Essensreste auf der betroffenen Seite in der Backentasche verbleiben.
  • Auch wenn man eine Therapie in der Frühphase nicht begonnen hat, kann, dank der Plastizität des Gehirns, auch zu einem späteren Zeitpunkt eine Therapie gestartet werden.
  • In der chronischen Phase können sekundäre Probleme, wie muskuläre Dysbalancen, Spannungen und Schmerzen, durch die Physiotherapie behandelt werden.

Hinweise für den Alltag:

  • Falls beim Trinken Flüssigkeit über den Mundwinkel ausläuft, versuchen Sie, den Mundschluss mit den Fingern zu unterstützen.
  • Halten Sie Ruhephasen ein, wenn Sie sich müder als sonst fühlen. Der Körper braucht jetzt mehr Ruhe.

Übungen Lidschluss:

Damit Sie Ihr Auge wieder schließen können, sind täglich folgende Übungen empfehlenswert:

  • Streichende Bewegung:
    Streichen Sie mit dem Zeigefinger über Ihr betroffenes Augenlid
    (von außen nach innen und umgekehrt).
     
  • Blickübung:
    (H. Grötzbach, 2009)
    Schauen Sie mit beiden Augen geradeaus nach vorne, schauen Sie danach nach unten auf den Boden (Kopf gerade lassen!). Halten Sie den Blick nach unten für 5 Sekunden. Wiederholen Sie die Übung 10x.
     
  • Augen zukneifen:
    (in Anlehnung an G. Bartolome, Funktionelle Dysphagie-Therapie: Mobilisation des M. orbicularis oculi)
    • Fingerkuppen des Daumens und Zeigefingers am betroffenen Auge ansetzen (Daumen direkt unterhalb des Auges, Zeigefinger auf dem Augenlid direkt an den Wimpern)

    • Augenmuskulatur kurz aufdehnen ("quick stretch"): mit Zeigefinger nach oben, mit Daumen nach unten Auge kurz aufziehen

    • Augen zukneifen, 3 Sekunden halten

    • Mit Zeigefinger und Daumen zuerst Widerstand geben, dann Bewegung (Lidschluss) mitführen

    • Ein hervorragendes Übungsvideo, wie Sie bei bei einem Hemispasmus facialis und Synkinesien Ihre mimische Muskulatur lockern können,  finden Sie hier. Das selbstständig durchzuführende Training beinhaltet auch, wie über konsequente Dehnungsübungen des Augenringmuskels ein Lidschluss verbessert werden kann.

Vokalbildung:

Sprechen Sie folgende Wortpaare, und beachten Sie dabei die Lippenspreizung bzw. -rundung beim Vokalwechsel:

Leben

Hebel

Nebel

knebeln

Rebe

legen

wegen

Klee

beten

Beet

kneten

Zeh

Meer

Lese

Seele

Kehle

lehnen

loben

Hobel

nobel

knobeln

Robe

logen

wogen

Klo

Boten

Boot

Knoten

Zoo

Moor

Lose

Sohle

Kohle

lohnen

Diese Patientin demonstriert eindrucksvoll wie sich die Muskelgruppen des Augenkomplexes, der oberen Mundwinkel- und der unteren Mundwinkelmuskulatur durch die externe Elektrostimulation reizen lässt. Die Dynamik lässt sich ohne intakten Fazialisnerv erzielen.